Frau Loosli, was waren die Beweggründe für Ihr Engagement?
Ich engagiere mich seit meiner Pension in verschiedenen Bereichen und hatte noch etwas freie Zeit. Vor drei Jahren sah ich dann das Inserat der Wegbegleitung. Die Betreuung von Familien oder Einzelpersonen fand ich spannend, obwohl ich nicht ganz genau wusste, was mich erwartet.
In diesen 3 Jahren haben Sie bestimmt viel erlebt
Oh ja, das waren stets spannende und intensive Begleitungen! Als Erstes habe ich eine eritreische Frau unterstützt. Ihr Ziel war es, ihr Deutsch im Alltag zu verbessern. Wir haben also zusammen ganz gewöhnliche Sachen gemacht, wie beispielsweise Einkaufen oder eine Wohnung suchen. Diese Begleitung hat ein Jahr gedauert. Danach habe ich für einen halben Tag pro Woche eine Mutter bei der Kinderbetreuung entlastet und mit dem Nachwuchs Sachen unternommen. Es war nicht einfach, als wir uns nach dem Abschlussgespräch nicht umarmen konnten.
Wie sind Sie damals gestartet?
Kurz nach meiner Anmeldung gab es in Aarau einen Einführungskurs. Dabei ging es um Stärken, Schwächen und die eigene Motivation. Und wir wurden darauf vorbereitet, dass es nicht immer so kommt, wie man es vielleicht erwartet. Zudem gibt es regelmässig Weiterbildungen. Ich kann mich auch jederzeit bei der Regionalstelle melden und bei Unsicherheiten Fragen stellen. Ich fühle mich sehr gut begleitet.
Welche Themen werden an den Weiterbildungen behandelt?
Wir lernen beispielsweise schwierige Gespräche zu führen. Es werden Fallbeispiele besprochen oder wir behandeln psychologische Theorien zu menschlichen Bedürfnissen. Abgrenzung ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Es soll keine Abhängigkeit entstehen, darum ist es auch so wichtig, dass die Begleitung einen Anfang und ein Ende hat.
Wie ist Ihr Engagement geregelt?
Es gibt bei jedem Einsatz eine neue Einsatzvereinbarung mit Zeitdauer, Rhythmus der Treffen und Begleitungs-Ziel. Ein solches Ziel kann sich auch verändern. Aktuell begleite ich einen jungen Mann, der anfänglich eine Tagesstruktur erarbeiten wollte. Er hat dann gemerkt, dass für ihn Gespräche am wichtigsten sind. Nun besuche ich ihn ein bis zwei Mal pro Monat und wir unterhalten uns über Gott und die Welt.
Nebst der Ansprechperson auf der Regionalstelle – gibt es andere Leute mit denen Sie sich austauschen können?
Wir hatten im letzten Sommer ein Erfahrungsaustausch-Treffen. Ohne Corona würden mehrere solche Treffen stattfinden.
Was bewirkt Ihr Einsatz?
Ich würde nicht direkt sagen, dass ich etwas bewirke – das ist auch nicht mein Ziel. Die Situationen und persönlichen Schicksale bei den hilfesuchenden Personen sind sehr komplex. Dort etwas zu verändern erachte ich nicht als meine Aufgabe, dafür sind andere Stellen zuständig. Ich will einfach unterstützen und im Alltag Erleichterung bringen – und das kann ich!
Die Wegbegleitung bietet Menschen in schwierigen Lebenssituationen kostenlos Unterstützung, indem sie als Vermittlungsstelle Hilfesuchende und Freiwillige zusammenbringt. Es handelt sich um ein Angebot der reformierten Kirchgemeinden und den katholischen Pfarreien. Für die Einsätze ist eine Kirchenzugehörigkeit nicht relevant. Die regionalen Vermittlungsstellen sind jederzeit an neuen Freiwilligen interessiert.
www.wegbegleitung-ag.ch
Dieses Interview ist Teil der neuen Ausgabe benevol Nachrichten zum Thema Freiwilligen-Management. Hier gehts zur Ausgabe.